Poesie-Quadriga 6

von Anja Sohr (Autor), Marianne Nauber (Autor), Thomas Weiß (Autor), Eva Christian Zeller (Autor)

ca. 124 Seiten

Besprechung

Eva Christina Zeller beherrscht die Finesse. Mit jedem Wort, mit jeder Silbe stellt sie ihre besondere Sensibilität für die kleinen Regungen und tektonischen Plattenverschiebungen in unserem Bewusstsein unter Beweis.

Poesie und Psychologie sind bei ihr deswegen auf das Engste verzahnt, was sich ebenso in ihren aktuellen Miniaturen, versammelt in einem von gleich vier Lyriker*innen zusammengestellten Band, offenbart. Im Zentrum eines ihrer Poeme steht eine Art Heimsuchung, von so unwohligen wie unheilvollen Gedanken. Sie kommen im Gefieder der ansonsten den Tod ankündigenden Krähen daher und wecken nicht nur ein Über-Ich, sondern bringen Freuds inneren Werte- und Gewissensapparat gleich im wuchtigen Plural aufs Trapez.

Mit Begriffen des Kreisens und Schwingens (resonieren, räsonieren, rotieren) fräsen sich diese nicht näher ausgeführten Quälgeister der Scham in den Körper und letztlich bis in die Seele hinein. Sie zermürben wie das Geschrei von Kindern. Die Konsequenz: Das Ich erkennt sich nicht wieder. Es bricht entzwei, als würde man es über die Versgrenzen hinweg zerhacken, sodass (wie in den letzten drei Zeilen) nur noch einzelne (Wort-)Frag-mente übrig bleiben. Das Subjekt erweist sich ebenso in den anderen lyrischen Texten Zellers immer wieder als in Auflösung begriffen. Es hat eben alles, nur keine Gewissheit darüber, noch ein Ganzes zu sein. Zwar muss es sich somit weiter auf die Suche begeben. Gleichwohl wird es getragen von poetischen Formen, die wiederum nichts an Geistesreichium sinbien, Im Gegentei: Sie zeugen von Intelligenz und Inbrunst gleichermaßen.

Björn Hayer